1 Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. Steht nun fest und lasst euch nicht wieder durch ein Joch der Sklaverei belasten!

Die Aufrechterhaltung unserer Freiheit ist der Sinn der Freiheit, die wir in Jesus haben. Das ist ein Leben ohne ein hartes Joch und schwere Lasten. In den galatischen Gemeinden lehrten Menschen gegen diese Freiheit – sie lehrten das Gesetz. Und das ist das „Joch der Sklaverei“. Das machen auch die folgenden Sätze von Paulus deutlich.

Hier ist nicht die Rede von der Sklaverei der Sünde. Sondern von der Sklaverei des Gesetzes. Die Warnung vor dieser Sklaverei ist wesentlich schärfer als jede Warnung vor dem Sündigen und seinen Folgen.

2 Siehe, ich, Paulus, sage euch, dass Christus euch nichts nützen wird, wenn ihr euch beschneiden lasst.

Jesus hat einen Nutzen für uns – das ist nützlich gedacht. Überhaupt erstaunlich, daß uns Jesus etwas nutzen darf. Also ist auch die Frage „was bringt es mir denn?“ für einen Christen legitim. Und es gibt Antworten auf diese Frage. Keine Spur von der selbstlosen Liebe zu Gott, die nicht fragt, wo man selbst denn bei all dem bleibt.

Aber die Beschneidung ist das Ende des Nutzens, den Christus für uns hat. Natürlich ist es nicht die Beschneidung an sich, sondern das, wofür sie steht: Menschen sagten damals damit „ich muß unters Gesetz, Jesus allein reicht nicht“. Das sagen viele Christen leider immer noch, obwohl schon längst niemand mehr auf die Idee kommt, die Beschneidung in eine der Varianten von Gesetzlichkeit zu integrieren.

3 Ich bezeuge aber noch einmal jedem Menschen, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.

Wer sich durch die Beschneidung – oder ohne sie – unter das Gesetz begibt, hat nicht mehr die Wahl, welche Teile des Gesetzes er halten soll: er muß das ganze Gesetz halten. Keine Regel ist für ihn aufgehoben. Das Gesetz fordert Perfektion von ihm.

Das ist aber nicht nur so beim Mosaischen Gesetz, sondern auch bei allen anderen Regelkatalogen so: sie fordern immer Perfektion von uns. Sonst bleibt auch der Nutzen aus, den man vom Regel-Einhalten angeblich hat. Wer sich unwohl fühlt als Regelbefolger, dem kann man immer und zu Recht sagen: du hast noch nicht genug getan! Tu mehr! Streng dich stärker an!

Diese Aufforderung, sich noch mehr anzustrengen, können wir auch direkt gegenüber Gesetzestreuen anwenden. Denn sie bekennen sich ja zum Gesetz und seiner Wirkungsweise.

4 Ihr seid von Christus abgetrennt, die ihr im Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen.

Dieser Satz ist an Härte kaum zu überbieten. Jeder Flirt mit dem Gesetz ist gefährlich, denn er führt dazu, daß Jesus und seine Erlösung nicht mehr auf uns wirken. Wir sind abgetrennt von der einzigen Möglichkeit, wie wir übernatürlich verändert werden können. Denn wir setzen unser Vertrauen auf das Gesetz und seine Einwirkung auf unser äußeres Verhalten. Und glauben, daß unser Inneres dadurch verändert würde. Aber das wird es nicht. Und die Heuchelei wird damit zementiert und zur Lebenseinstellung. Denn wir zeigen nach außen ein Verhalten, daß unserem Inneren oft nicht entspricht.

Sündigen führt niemals dazu, daß wir aus der Gnade fallen. Aber Leben mit und unter dem Gesetz kann das bewirken. Diesen Hinweis vermissen wir aber meist in den Sünden-Bußpredigten der Gesetzeslehrer.

Übrigens glaube ich nicht, daß man durch das Leben unter Gesetz seine Rettung wieder verlieren kann. Aber ich glaube, daß es Menschen gibt, die das Gesetz befolgen, aber Jesus nicht wirklich kennen. Und von denen ist in der Bibel mehrmals die Rede.

5 Wir nämlich erwarten durch den Geist aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit.

Ein Satz, der erst mal nach Floskel klingt – bis man ihn mit dem Gegenteil vergleicht: nämlich wenn die Hoffnung auf Gerechtigkeit durch das Fleisch und das Gesetz käme. Wir müßten uns – natürlich vergeblich – unser Ok-Sein selbst erarbeiten, aus eigener natürlicher Kraft.

6 Denn in Christus Jesus hat weder Beschneidung noch Unbeschnittensein irgendeine Kraft, sondern der durch Liebe wirksame Glaube.

Wenn wir in Jesus sind (und das sind wir!), dann können Äußerlichkeiten dem nichts hinzufügen oder wegnehmen.

Warum wirkt der Glaube durch Liebe? Weil wir an einen Gott glauben, der uns liebt. Diese Liebe wirkt sich auf uns aus: wir fühlen uns geliebt und angenommen – und das ist etwas, was wir einfach an andere Leute weitergeben werden. Dabei ist es egal, welche äußerliche Form das annimmt und ob es zu bekannten frommen Verhaltensmustern paßt oder nicht.

7 Ihr lieft gut. Wer hat euch gehindert, der Wahrheit zu gehorchen?

Christen gehorchen der Wahrheit – und eben nicht Geboten und Regeln, deren Sinn sie nicht wirklich einsehen. Der Wahrheit zu gehorchen, heißt erst einmal, sie zu kennen und ihr zuzustimmen. Aber eine Wahrheit wie „ich bin ok in Christus“ oder „ich bin bedingungslos geliebt von Gott“ hat natürlich fast zwangsläufig Folgen.

Gesetzestreue gehorchen Geboten, Regeln und Verboten – also Dingen, die ihr äußeres Verhalten steuern. Christen gehorchen der Wahrheit – und das ist nun mal ein innerer Prozess, der erster in der Folge auch Wirkungen auf das Verhalten eines Menschen hat.

Der Gehorsam gegenüber der Wahrheit ist aber bei den Gemeinden in Galatien ins Stocken geraten. Sie haben ihn durch etwas anderes ersetzt – eben durch Gesetzestreue bzw. Gehorsam gegenüber dem Gesetz.

8 Die Überredung ist nicht von dem, der euch beruft.

Christen zum Gesetz zu überreden ist nichts, was von Jesus kommt. Die Floskel „Jesus will, daß wir in seiner Kraft das Gesetz befolgen“ ist kein Kavaliersdelikt – es ist ein Angriff auf die ganze Art und Weise, wie wir mit Jesus leben! Es ist ein anderes Evangelium – und die „gute“ Botschaft darin ist keine gute Botschaft mehr.

Es wäre interessant zu wissen, welche altgriechische Wort hinter „Überredung“ steckt. Denn in Vers 10 ist zusätzlich von „verwirren“ die Rede … ein Gesetzlehrer kann sich nicht hinstellen und sagen: „Bisher habt ihr ganz entspannt mit Jesus gelebt. In diesem Lebensbereich hattet ihr Frucht, in einem anderen nicht. So geht das nicht weiter: ihr dürft nicht so entspannt sein. Ihr müßt Frucht bringen- und zwar sofort. Sonst ist Gott unzufrieden mit euch“. Dann würde es jeder merken.

Vermutlich wird er eher sagen „Ihr habt doch alle Jesus lieb, oder? Er ist euch wichtig. Ihr wollt ihm doch gefallen? Dann müßt ihr das Gesetz befolgen. Das will Jesus so. So könnt ihr ihm eure Liebe zeigen.“ So überredet man Menschen, die Jesus eigentlich anders kennen.

9  Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig.

Hier denken wir natürlich sofort an die Warnungen von Jesus vor dem Sauerteig der Pharisäer.

Man bekämpft die Gefahr der Gesetzlichkeit auch nicht durch entschiedendes „sowohl als auch“. Hier ist Radikalität angesagt, zumindestens im Denken.

Vor Jahren sagte mir ein relativ bekannter Gemeinde-Coach „manchmal braucht eine Gemeinde auch Gesetz – und dann wieder Gnade“. Wer viel Einfluß hat, muß nicht unbedingt viel verstanden haben.

10 Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn, dass ihr nicht anders gesinnt sein werdet. Wer euch aber verwirrt, wird das Urteil tragen, wer er auch sei.

Es gibt ein Urteil über die, die Christen verwirren, indem sie das Gesetz predigen. Es gibt aber keinen Grund, es hier den Gesetzis nachzumachen und gleich was von Heilsverlust zu faseln. Wer unter Gesetz lebt, hat dadurch viele unangenehme Folgen zu tragen für sein eigenes Leben. Diese unangenehmen Folgen erklären auch einen Teil der „missionarischen“ Kraft von Gesetzespredigern: mit je mehr Menschen sie ihr unangenehmes Leben teilen können, desto besser fühlen sie sich – denn es geht ihnen nun nicht mehr allein so schlecht … das ist leider kein Scherz, auch wenn es vielleicht witzig klingt.

Die Opfer einer Gesetzespredigt sind genauso verwirrt wie die Prediger des Gesetzes. Auch hier wäre das altgriechische Wort wieder interessant. Jedenfalls sind die logischen Lücken der gesetzlichen Argumentation offensichtlich – gerade dann, wenn man Jesus und Gesetz kombiniert. Ein Ergebnis dieser Verwirrung ist, daß der Gesetzestreue nie weiß, ob er genug getan hat; auch genug dafür, daß er sein Heil nicht verliert.

Jesus sagt ihm „Du bist gerettet durch das, was ich für dich getan habe“ – das Gesetz sagt ihm „ja, ich kann dich nicht retten. Aber durch mich kannst du gerettet bleiben. Also tu, was ich sage.“ Aber das Gesetz wird nie sagen „genug getan“, sondern immer nur „das war nicht genug. Tu mehr!“.

Paulus ist zuversichtlich, daß seine Bloßstellung des Gesetzes und seine Warnung vor dem Gesetz Wirkung auf die Christen in Galatien hat. Aber Paulus unterscheidet offensichtlich zwischen den aktiven Gesetzespredigern und ihren verwirrten Zuhörern.

11 Ich aber, Brüder, wenn ich noch Beschneidung predige, warum werde ich noch verfolgt? Dann ist ja das Ärgernis des Kreuzes beseitigt.

Das Kreuz ist deswegen ärgerlich, weil es der Menschheit das Ok-Sein vor Gott und damit auch das Ok-Sein der eigenen Person als Geschenk möglich gemacht hat. Das Gesetz – ob mit oder ohne Beschneidung gepredigt – bestreitet das. Deshalb ist es auch der natürliche Bündnisparter für alle, die Menschen klein halten wollen, die ihnen ein Gefühl der Unwürdigkeit und Minderwertigkeit vermitteln möchten.

Und wo kämen wir auch hier, wenn breite Massen von Menschen auf einmal die Lizenz zum Leben hätten? Wenn sie Raum einnehmen in dieser Welt und sich nicht kleinmachen und vieles gefallen lassen? Nicht auszudenken!

Verfolgung ist tatsächlich die Erfahrung derer, die das Kreuz als etwas Befreiendes predigen. Und nicht als Eintrittskarte für ein Leben unter Gesetz.

12 Meinetwegen können sie, die euch beunruhigen, sich auch verschneiden lassen.

Ein Paulus-Scherz? Billige Polemik? Verschneidung statt Beschneidung? Meint er damit Kastration? Damals wie heute wird es Leute geben, diese solche Scherze überflüssig finden – und vor allem befürchten, man schütte Öl ins Feuer. Die wollen auch nicht, daß man Gesetzis sagt – statt Gesetzestreue.

Aber ich vermute, es gibt irgendwas an dieser Art von Polemik, die entweder den Gesetzeslehrern, den von ihnen Unterdrückten oder denen, die ihre Freiheit in Christus bewahren wollen, hilft.

Hier der dritte Punkt nach den beiden anderen oben:

  • überreden
  • verwirren
  • beunruhigen

Und natürlich muß der Gläubige unter Gesetz ständig auch beunruhigt sein. Weiß man denn wirklich, wie es ist? Hat man genug getan? Verdammt Gott einen nicht doch?

Eine Antwort »

  1. Jemand hat mal geschrieben: Christen sind zur Freiheit befreit und deswegen auch zur Freiheit verpflichtet (und berufen) ! Freiheit ist ein „GEBOT“, ein Imperativ! Christsein heisst unter dem Anspruch der Freiheit stehen und ihr verpflichtet sein.

  2. Wo ist die „Verpflichtung“ zur Freiheit, wenn sie sogar die Freiheit einschließt, sich wieder unter das Gesetz zu stellen? Diese Freiheit ist eine Tatsache, kein Sollen.

    Ein DRANG zur Freiheit im Sinne von „ich halte mich fern vom Gesetz“ trifft es vielleicht besser.

  3. Wie sieht es eigentlich mit dem Galaterbrief 5, Verse 16-20 aus?
    16 Ich sage aber: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lust des Fleisches nicht vollbringen. 17 Denn das Fleisch gelüstet gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch; und diese widerstreben einander, so daß ihr nicht das tut, was ihr wollt. 18 Wenn ihr aber vom Geist geleitet werdet, so seid ihr nicht unter dem Gesetz. 19 Offenbar sind aber die Werke des Fleisches, welche sind: Ehebruch, Unzucht, Unreinheit, Zügellosigkeit; 20 Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zorn, Selbstsucht, Zwietracht, Parteiungen; 21 Neid, Mord, Trunkenheit, Gelage und dergleichen, wovon ich euch voraussage, wie ich schon zuvor gesagt habe, daß die, welche solche Dinge tun, das Reich Gottes nicht erben werden.

    Ich befürchte, das bedeutet, dass jemand, der auch nur eins dieser Dinge tut, nicht im Geist wandelt (was ja die Bedingung für die Errettung ist), was ja dann bedeutet, dass jemand, der sein Leben wirklich Jesus gibt, diese Dinge nicht tut, obwohl ja auch Paulus selber gesagt hat, dass er im Fleisch das tut, was er nicht will, und dass in seinen Gliedern ein anderes Gesetz wirkt, damit würde er sich dann ja selber verurteilen.

    Ich habe immer wieder damit zu kämpfen, z.B. sehe ich bei der Ampel gut aussehende Frauen über die Straße gehen, und schau dann an Stellen, wo ich nicht hinschauen sollte, und dann kommt sofort der Gedanke: „So, jetzt hättest du echt einen Unfall verdient. Du brauchst dich jetzt echt nicht zu wundern, wenn Gott dich jetzt nicht mehr segnet, wenn er sich zurückzieht, und dein ganzes Gebet und der Lobpreis fruchtlos ist. Wozu gehst du eigentlich noch in die Gemeinde? Du tust absichtlich, was Gott verabscheut…“ Und ich muss sagen, dass ich durch diese Bibelstelle oft auch darin bestätigt werde…

    Genau bei solcher Gedanken hatte ich auch schon einen Unfall, obwohl dann ja eigentlich die Sünde selbst dafür verantwortlich war.

    • Siehe dazu etwa https://konsequentegnade.wordpress.com/unser-neues-leben/wandel-im-geist/ aber auch https://konsequentegnade.wordpress.com/freiheit-vom-gesetz/der-wandel-im-geist-nach-dem-gesetz/

      Das „Erben“ des Reiches Gottes hat nichts mit der Erlösung zu tun. Der Wandel im Geist ist keine Bedingung für die Errettung, sondern die Folge der Errettung. Der Segen Gottes ist ohne Wohlverhalten für uns da.

      Außerdem: Anklage durch unser schlechtes Gewissen ist niemals etwas, wodurch Gott zu uns redet. Er hat uns ja gerade befreit vom schlechten Gewissen. Das wird aber leider nicht wirksam, wenn wir als Christen unter Gesetz bleiben.

      • Und wie sieht es mit Matthäus 19 aus?
        16 Und siehe, einer trat herzu und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich Gutes tun, um das ewige Leben zu erlangen? 17 Er aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein! Willst du aber in das Leben eingehen, so halte die Gebote! 18 Er sagt zu ihm: Welche? Jesus aber sprach: Das »Du sollst nicht töten! Du sollst nicht ehebrechen! Du sollst nicht stehlen! Du sollst nicht falsches Zeugnis reden! 19 Ehre deinen Vater und deine Mutter!«4 und »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!«

        • Sicher: wer ALLE Gebote hält, wird durch sie leben. Schafft nur keiner! Aber viele haben die Illusion, es sei so – auch der reiche Jüngling aus Matthäus 19. Hätte er diese Illusion nicht gehabt, hätte er gesagt: „Das kann ich nicht. Niemand kann das“ … theoretisch könnte der erfolgreiche Versuch, die Gebote zu halten, der Weg zum Leben sein – praktisch aber ist er ein Weg in Sünde, Unabhängigkeit, Erschöpfung, Stolz, Getrieben-Sein u.a. Denn das Gesetz mobilisiert zwangsläufig unser religiöses Fleisch und stärkt uns in unserer Pseudo-Autonomie.

          Wir können natürlich diese Aussage von Jesus absolut setzen (wie auch andere Aussagen zum Gesetz) und sagen „Da sieht man es – man muß die Gebote halten“. Aber Jesus dient hier einem konkreten Menschen, der spürt, dass er kein Leben durch das Halten von Geboten findet. Jesus bietet ihm zuerst die Möglichkeit zu sagen „Ich kann nicht alle Gebote halten“ – das gelingt nicht. Dann bietet Jesus ihm die Möglichkeit, sein Vertrauen nicht mehr auf seinen Reichtum zu setzen, indem er alles verkauft und echtes Leben im Reich Gottes zu finden, dem Reich der Gnade und Güte Gottes. Auch hier bleibt der reiche Jüngling sich treu: er will Leben finden, ohne seine völlige Abhängigkeit von Gott einzusehen.

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