Auch wenn wir einander nicht mehr mit Heilsverlust drohen können, wenn uns das Verhalten des anderen nicht paßt – wir sind dennoch nicht ganz hilflos.

Jesus selbst gibt Regeln für die Menschen, die er befreit hat, wenn sie ernsthafte Konflikte miteinander haben.

Matthäus 18,15: Wenn aber dein Bruder [gegen dich, fügen manche Handschriften hinzu] sündigt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein! Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen.

Allein mit der Befolgung dieser Regel wäre schon viel gewonnen: wir reden nicht übereinander, sondern miteinander. Es weiß nicht die halbe Gemeinde Bescheid, bevor der Betroffene überhaupt mitbekommt, daß ihm etwas vorgeworfen wird.

Dieser Schritt ist auch notwendig, um zu sehen, ob überhaupt eine Sünde vorliegt. Damit erspart sich der Korrigierende auch die Peinlichkeit, daß er die Dinge viel zu streng sieht … und daß der kurze Rock der Schwester vielleicht mehr über seine Phantasie aussagt als über die Schwester … oder daß Rauchen keineswegs eine Sünde ist … oder daß ein guter Musikgeschmack sich nicht ausschließlich auf moderne christliche Musik oder Bach-Kantaten beschränken muß … und so weiter.

Matthäus 18,15 ist kein Mittel, die Mitglieder einer Gemeinde gleichzuschalten. Es geht um wirkliche Sünde. Und ich denke, daß sie mindestens einen anderen direkt (und nicht nur „geistlich“, also nicht nachvollziehbar schädigt) schädigen muß, damit sie in die nächste Eskalationsstufe gehen kann. Wenn jemand für sich privat „sündigt“, dann ist das seine Sache. Und dann gibt es auch keinen Grund, weiter zu eskalieren.

Und diese Regel ist nicht dafür gedacht, sie ausschließlich auf den sensiblen Bruder anzuwenden, der sich schon tagelang Gedanken macht, wenn man ihn mal nicht freundlich anschaut.

Du solltest dich auch an den selbstbewußten Geschäftsmann, die parkettsichere Dame von Welt oder den stylishen Leiter der Jugendgruppe herantrauen. Spätestens beim Sündigen sind wir nämlich alle gleich

16 Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache bestätigt werde!

Wenn jemand nicht hört, dann besteht er darauf, daß es richtig war, was er getan hat: etwa das Schlagen seiner Kinder, die fortgesetzte Schmähung des Ehemannes, lächerliche Bezahlung für seine Angestellten (während er offensichtlich mehr als genug Geld hat), den Verkauf eines schrottreifen Autos („ich hatte nie Probleme damit, gutes Auto“), das ständige „Leihen“ von Geld (und nie Zurückzahlen) und so weiter

Wer eine zweite oder dritte Person mit dazu nimmt, erhöht den Druck auf den, der andere mit seinem Verhalten schädigt. Der oder die Zweiten oder Dritten müssen allerdings auch in der Lage sein, richtig und falsch unterscheiden zu können. Sie sind keine bloßen „Vermittler“ oder Moderatoren, sondern unterstützen den, der den anderen konfrontiert hat – und hören natürlich auch noch mal die Argumente des „Täters“.

Bloßes Moderieren oder Vermitteln wäre ein Ausdruck für Feigheit: da will es sich jemand mit niemand verderben. Praktisch aber läßt er die im Stich, die sich auf den Schutz der Gemeinschaft verlassen (müssen). Wenn er dann auch noch einer der Leiter ist, dann sollte er sich dringend überlegen, weniger hasenherzige Kollegen den Job machen zu lassen.

Wir sind als Konfrontierer nicht allein auf unsere Wahrnehmung angewiesen. Andere unterstützen uns darin – oder eben auch nicht.

Wenn er wieder nicht „hört“, dann kommt die letzte Stufe der Eskalation.

17 Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde; wenn er aber auch auf die Gemeinde nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner!

Auch die Gemeinde muß natürlich wissen, was richtig oder falsch ist. An dieser Stelle kann es zu über-mitleidigen Reaktionen kommen – und die Konsequenz wird praktisch aufgehoben. Der Täter hat keinen Grund, sein Verhalten zu ändern: mindestens ein Teil der Gemeinde zeigt Mitgefühl und versichert ihm, daß man ihn viel zu hart behandelt habe.

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