“ Doppeldenk ist ein Neusprech-Begriff aus dem dystopischen Roman „1984“ von George Orwell und beinhaltet die Fähigkeit, in seinem Denken zwei WIDERSPRÜCHLICHE Überzeugungen aufrechtzuerhalten und beide zu akzeptieren.“ (wikipedia.de)

Im christlichen Bereich muss man diese Definition vielleicht noch erweitern: es gehen auch drei oder vier logische Widersprüche gleichzeitig 😉 … logische Widerspruchsfreiheit ist nicht gerade eine Tugend, die unter Christen gefördert wird. Was wiederum damit zu tun hat, dass das eigene Nachdenken oft nicht ermutigt wird. Die Leute, die beim Selber-Denken heraus kommen, sind vielleicht schwerer zu führen und / oder zum Narren zu halten.

Sehen wir uns ein Beispiel an: Wenn eine Gemeinde an zwei aufeinander folgenden Sonntagen jeweils einen Gastsprecher erlebt, der begeisternd reden kann – dann kann es passieren, dass große Teile der Gemeinde beide Sprecher gut finden; und zwar auch dann, wenn der eine etwas vertritt, was den Aussagen des anderen logisch widerspricht und klar ist: nur das eine ODER das andere kann stimmen. Ein inhaltliches Beispiel: der eine sagt „der Segen ist umsonst und uns in Jesus geschenkt“ und der andere sagt „Wir blockieren den Segen Gottes, wenn wir ihn nicht weitergeben“. Beides kann NICHT gleichzeitig stimmen (hier wird vielleicht schon mancher heftig Widerspruch anmelden).

Nun, manche sind etwas besser im Selber-Denken: aber unter den Selber-Denkern gibt es auch genug Verwirrte bzw. Menschen, die ebenfalls die Fähigkeit zum Doppeldenk kultiviert haben. Emotional liegt es vielleicht daran, dass sie gerne auf allen Hochzeiten tanzen würden – und von keiner richtig was haben. Aber der Weg hinaus aus dem verwirrten Selber-Denken (zu einem klaren) hat eben auch was mit dem Ende des frommen Doppeldenk zu tun – mit der Bereitschaft zu sehen, welche Inhalte mit anderen Positionen einfach nicht logisch zu versöhnen sind … Wenn A richtig ist, kann das Gegenteil von A nicht auch richtig sein.

Die folgenden Beispiele können nur Beispiele sein – das Selber-Denken kann dir niemand abnehmen.  Vor allem kann es dir niemand abnehmen, die vielleicht angenehmen emotionalen und praktischen Folgen einer theologisch falschen Überzeugung hinter dir zu lassen. Das nennt man übrigens konsequente Nachfolge 😉 … in den angenehmen Folgen des „Doppeldenk“ liegt vielleicht auch das wirkliche Problem: was tun, wenn man diese und jene religiöse Spielwiese verläßt? Ein ganz normales Leben leben? Schrecklich 😉 … oder der Verzicht auf immer „Neues“, des aktuellsten Hypes, des angesagten Predigers, der letzten „Welle“ aus USA oder sonstwo – zugunsten des Genießens des immer „Alten“, nämlich unserer wunderbaren Erlösung in Jesus

  • Entweder bist du ohne Werke und nur durch Jesus und seine Gnade vor Gott angenehm und gerechtfertigt – oder du mußt doch irgendwas für ihn tun, damit er sich mehr über dich freut?
  • Entweder tust du die Werke, die Gott in dir hervorgebracht hat – oder du tust das, was deine Gemeinde von dir erwartet?
  • Entweder bist du Gott sowieso nahe – oder du mußt dies und das tun, um ihm nahe zu sein oder dich ihm nahe zu fühlen?
  • Entweder fühlt sich Gott wohl in dir und lebt in dir – oder du mußt irgendwas tun oder lassen, damit es so ist?
  • Entweder diente Jesus auch denen, die unter Gesetz waren – oder es ergeben sich logische Widersprüche zu der Lehre in den apostolischen Briefen (etwa beim Punkt Vergebung)?
  • Entweder hat Jesus für ALLE deine Sünden bezahlt – oder du mußt für die Sünden nach deiner Bekehrung detailliert um Vergebung bitten?
  • Entweder kannst du auch als Christ noch sündigen – oder du kannst es nicht mehr?
  • [es kommen bestimmt noch Punkte dazu] …

Und nicht zwangsläufig die, die die beste Show abliefern oder die meisten Bibelzitate bringen oder so begeisternd reden können oder  immer so „ehrlich“ sind oder die meisten Leute heilen, sind die, die die richtige Erkenntnis haben.

Und es gibt natürlich auch fromme Sprüchlein, mit denen das Doppeldenk rechtfertigt wird:

  • „seine Gedanken sind höher als unsere“ – wird gerne bei akuter Denkfaulheit zitiert
  • „das Wichtigste ist doch die Liebe“ – bestimmt! Aber wie wird unsere Liebe aussehen, wenn wir lauter harte oder verwirrte Gedankengänge denken?
  • „wir sollen Einheit anstreben“ – ja? Jesus und die Apostel haben ne Menge Spaltung gebracht
  • „wir sollen Einheit anstreben“ – und dürfen deshalb nicht freundlich und klar ansprechen, wo der andere irrt?
  • „wichtig ist doch, dass wir authentisch sind“ – die Pharisäer waren auch authentisch
  • „das ist ganz klar eine Bewegung, die vom Heiligen Geist kommt“ – ach so?
  • [es kommen bestimmt noch Punkte dazu] …

Wie man sieht: keine Spur von einem „Kuschel-Jesus“, der mit den Pharisäern mal lieber Kaffee getrunken hätte statt sie zu konfrontieren. Vielmehr trampeln wir mal eben über ein paar Spielwiesen und machen alles kaputt 😉

 

Eine Antwort »

  1. Ergänzend zum Artikel:
    Die Fähigkeit zum Doppeldenk erinnert mich an das Muster des „Double-binds“: zwei sich konkurriende Aussagen einer Person, welche nie aufgelöst werden, weil letztlich keine Verantwortung übernommen werden kann als Ausdruck innerer Zerissenheit

    Formale Darstellung Double-Bind

    Die Person muss sich an das Gebot oder Konzept X halten.
    Die Person muss sich an das Gebot oder Konzept Y halten.
    Y widerspricht X.
    Die Person darf weder X noch Y ignorieren.
    Jeder Kommentar bezüglich der Absurdität der Situation ist streng verboten.
    Ein Verlassen der Situation ist oder erscheint unmöglich.

    Ein dauerhaftes Aufrechterhalten von Doppeldenk oder Double-Bind-Mustern wird als kommunikationstheoretische Theorie zur Entstehung schizophrener Erkrankungen angesehen. Klar: Wir sind wir nicht immer klar positioniert, aber es ist schon nötig, eine klare Stellung in den Fragen dieses blogs zu erhalten. Vielleicht ist es keine „christliche Fähigkeit zum Doppeldenk“ sondern vielmehr Ausdruck unserer Gemeindekultur, welche für viele gebrochene Persönlichkeiten Heimat ist. Dies ist zweifelsohne zu begrüßen. Ich lebe in einer christlichen Gemeinde und denke, es ist der Ort der Gemeinschaft und Heilung dieser Muster. Problematisch ist nur, wenn dieses Denkmuster die christliche Kultur prägt und wir vielleicht sogar unbewusst solche Menschen anziehen. Ein gesunder Christ sollte diese Fähigkeiten zunehmend verlieren. Die Frage ist leider, wieviel inkonsequente Gnade wir vermitteln / leben.

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