Christen sind vorschnell dabei zu behaupten, Jesus gäbe ihnen einen „Sinn“ im Leben. Sie sind auf der Suche danach, dass ALLES was ihnen passiert, eine Bedeutung habe. Oder sie behaupten, dass sie auf ein Ziel zuleben (etwa das ewige Leben oder die Erweckung oder dass ihre Gemeinde wächst oder viele Menschen errettet werden) und stellen vieles oder alles (vor allem aber sich selbst) in den Dienst dieses Zieles.

Das sind falsche Konzepte. In der Bibel ist nirgends die Rede davon, dass wir auf ein Ziel hinleben (sondern ein Ziel haben, das täglich gilt – siehe die Kommentare unten). Oder dass wir uns zwangsweise fromme Ziele setzen müssten. Das alles läuft darauf hinaus, dass es jetzt noch nicht gut ist und dann aber (bei Erreichung des Ziels) gut sein wird. Das Leben wird so aus einen zukünfigen Tag oder Zeitraum X verschoben.

Schauen wir uns stattdessen an, was im Neuen Testament als Zweck, als Inhalt unseres Lebens formuliert hat:

Joh 10,10 Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben.

Leben und Lebendigkeit ist offensichtlich nichts, was dem Menschen von Natur aus zukommt. Wir sind tote Menschen. Durch Jesus werden wir lebendig gemacht. WIE aber wird das zu mehr als nur zu einer Floskel?

Zuerst einmal haben wir die Aufgabe, uns vom Gesetz und seinen Forderungen fernzuhalten – denn nur bei erfolgreicher Einhaltung (die sowieso unmöglich ist) kann es uns lebendig machen. Aber warum sollten wir uns dieses Ziel setzen? Denn wir sind bereits lebendig. Dann würden wir uns erarbeiten wollen, was wir bereits haben. Das wäre pure Zeitverschwendung. Diese Zeitverschwendung praktizieren viele Christen Jahre und Jahrzehnte ihres Lebens; deswegen fällt es ihnen auch so schwer, das aufzugeben: alle ihre Investionen in dieses Pseudo-Ziel wären dann umsonst gewesen (aber sie sind es sowieso!). Es ist nicht unsere Aufgabe, uns zu anständigen Menschen zu machen. Viele von uns sind es vielmehr schon, sie sind viel zu brav und tun sich schwer, sich den gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen wenigstens innerlich loszusagen. Voraussetzung für all das ist dies hier:

Joh 17,3 Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

DANACH wird es eigentlich richtig interessant.Wir erkennen, dass Gott uns geschaffen hat, damit wir einfach da sind, damit wir leben. Unser Leben ist kein Mittel mehr, dass einem anderen oder höheren Zweck dient, der nicht unserer ist. Wir müssen nicht mehr beweisen, dass wir die Lizenz zum Leben haben – oder sie uns gar erarbeiten. Es ist einfach schön, dass du und ich da sind. Wir sind Wunderwerke Gottes. Von Gott innig geliebte Menschen. Wir „dürfen“ das Leben genießen. Niemand zwingt uns mehr, uns in den Dienst einer Sache stellen zu lassen (vom Arbeiten  abgesehen) – auch Gott nicht! Gott hat es nicht nötig, uns zu den Zwecken zu zwingen, uns für sie einzuspannen, die ihm wichtig sind (und diese Zwecke Gottes gibt es ohne jeden Zweifel).

Wie kann das aussehen? Wir erkennen nach und nach, dass unsere Neugeburt, durch die wir das Neue Leben haben, unsere Person grundlegend verändert hat – und gleichzeitig so einiges an Wünschen, Begabungen, Bedürfnissen weiterhin in uns ist (Achtung: gemeint ist damit nicht die uns wohnende Sünde!). Und es sind auch neue Wünsche, Begabungen, Bedürfnisse hinzugekommen.

Wir fangen an, auf unsere Bedürfnisse (die wir nicht mit Begierden verwechseln sollten), unsere Wünsche zu hören. Welche gibt es? Welche davon sind offensichtlich unerfüllt? Hier können wir uns natürlich auch kräftig irren – wenn grundlegende Bedürfnisse nicht spürbar von Gott erfüllt werden. Dann streben wir doch eine Karriere an, weil wir denken, dann wären wir wertvoll und wichtig – obwohl wir es doch längst sind. Oder wir machen uns zum Sklaven einer Bank und bauen ein Haus – weil wir denken, dann sei unser Leben schön (und dabei sind es ganz andere Dinge, die unser Leben schön und erfüllt machen!). Kurz und gut: wir fallen auf die Erfüllungs- und Glücksangebote der Gesellschaft rein, in der wir leben. Und verschwenden damit auch unsere Zeit – ähnlich wie bei der Erfüllung des Gesetzes.

Unsere Bedürfniserfüllung läuft aber anders: wir entdecken etwa, dass wir Freunde brauchen, Menschen, die uns gut tun und denen wir gut tun. Das ist eigentlich das, was „Gemeinde“ sein soll – also nicht der Anbieter frommer Dienstleistungen, den wir so nennen. Vielleicht entdecken wir, dass uns Natur gut tut. Oder Formel-1-Rennen. Oder ein paar Bier mit den Kumpels in der Eckkneipe am Freitag abend. Oder stundenlanges Schmökern in Büchern. Oder ausgedehnte Shopping-Touren. Oder dass wir doch mal den Menschen suchen sollten, den wir lieben können und unser Leben mit ihm teilen möchten. Vielleicht fangen wir an zu reisen und verändern deshalb unsere finanziellen Prioritäten. Vielleicht suchen wir Gleichgesinnte für ein gemeinsames Wohnprojekt. Hier sind viele, viele Dutzend Möglichkeiten denkbar. Manches wird sich als Einbildung heraus stellen – wir merken, dass uns Dinge gar nicht so gut tun, von denen wir dachten, sie würden es (weil sie einfach nicht zu uns passen). Wenn wir das herausfinden wollen, steht uns natürlich oft das fromme Sündenkonzept im Weg: es sagt, wir dürfen es gar nicht ausprobieren … wenn es gut läuft, erleben wir das hier:

Joh 1,16 Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade.

Denn warum sollten wir empfangen, wenn wir gar keine Bedürfnisse hätten. Richtig ist aber: wir sind zutiefst bedürftig und es gibt keinen Grund, sich dessen zu schämen. Unsere Bedürftigkeit ehrt Gott. Denn die Alternative dazu ist verlogene Pseudo-Autonomie, die nichts und niemand braucht.

… wie auch immer: verabschieden wir uns von den Pseudo-Zielen unserer Gesellschaft und fangen an, unsere Bedürfnisse ernst zu nehmen, bleibt es weiterhin interessant. Denn die Frage „was ist mir wichtig? wofür schlägt mein Herz?“ kann nun noch klarer beantwortet werden; denn wir müssen unsere Begabungen nun nicht mehr dazu einsetzen, uns Selbstwert und Anerkennung zu erarbeiten. Dabei gibt es leider die Falle des Gemeindebetriebs. Denn viele von uns entdecken, dass sie auf die eine oder andere Weise den Zwecken Gottes dienen wollen – und dann kommt eine religiöse Organisation daher und sagt: „Da wüssten wir was …“. Und schon bist du „Gemeindemitarbeiter“. Damit wollen wir nicht sagen, dass es nicht Ausnahmefälle gibt, in denen eine Kirchengemeinde genau den Betätigungsraum geben kann, der es erleichtert, deine Begabung auszuleben (aber es sind eben Ausnahmen). Man spürt den Unterschied zwischen dem, der gerne und kompetent mit Kindern arbeitet – und dem, der entweder nur gerne Kinder mag oder am Ende noch nicht mal das. Ähnlich der, der gerne Musik macht – oder dem es ein echtes Anliegen ist, Gott zu danken und ihm Komplimente zu machen für sein Wesen und sein Tun usw.

Aber es gibt so viele Begabungen – und so wenig Raum im frommen Dienstleistungsbetrieb „Gemeinde“. Dieser Dienstleistungsbetrieb baut nämlich sein Programm nicht nach den vorhandenen Begabungen seiner Mitarbeiter aus, sondern zwingt umgekehrt Menschen in sein bereits bestehendes Programm. Und unsere Zeit und unsere Kraft sind nun mal begrenzt. Wir etwa haben uns entschieden, unsere Erkenntnisse über die Gnade Gottes über eine Webseite unters Volk zu bringen. Denn auf eine Kanzel würde man uns (dauerhaft) nicht lassen. Andere wollen unbedingt Menschen in Not helfen – sie sind unglücklich, wenn sie das nicht können und nehmen einige Nachteile oder sogar Gefahren in Kauf, um den Armen in anderen Weltgegenden beizustehen. Oder denen in der eigenen Umgebung. Andere lieben das gemeinsame Abhängen bei Grillparties oder bei einem Brunch und organsieren so was auch gerne. Dazu sind sie so gastfreundlich, dass auch jeder gerne kommt und sich bei ihnen wohlfühlt. Das kannst du nicht einfach nachmachen, wenn du nicht eine ähnliche Begabung hast.

Dann passiert es, dass die Zwecke, die wir uns setzen, mit den Zwecken, die Gott wichtig sind, zusammen passen. Dieses Kunststück bringt Gott fertig: so ist „sein Wille“ nicht etwas, was gegen unsere Zwecke in unser Leben tritt, sondern mit unseren Zwecken im Einklang ist. Ein Gemeindebetrieb hat dagegen eine sehr eingeengte Vorstellung davon,  wie man dieses „Zusammenpassen“ erreichen kann.

Gelingt uns all das, kommen wir dem hier vielleicht etwas näher:

Joh 7,38 Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus seinem Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.

Glaube an Jesus ist eben nicht „arbeite in der Gemeinde mit“, „verleugne deine Bedürfnisse“, „kreuzige deinen Egoismus“ und wie die Sätze alle heißen, mit denen Christen darin gehindert werden, ihr Neues Leben zu entdecken und zum Strömen zu bringen.

Wir sagen auch offen, dass natürlich diese Lebensausrichtung zur Zeit weitgehend ohne eine wirkliche Gemeinde auskommen muss, wo wir füreinander da sind, wo also Liebe untereinander sichtbar und spürbar wird. Du wirst dabei oft und leider Einzelkämpfer sein. Das ist nicht Gottes Absicht – aber du und ich können das nicht durch pure Willenskraft ändern. Echte Gemeinde muss heranwachsen und reifen – in jedem einzelnen und miteinander. Normale „Gemeindemitglieder“ haben ein Sozialverhalten gelernt, das diesem Ziel entgegensteht: sie heucheln, lügen, verstecken sich, spielen anderen etwas vor, sind konfliktscheu, verurteilen schnell, haben keine Ahnung von Liebe und Annahme – kurz und gut: die Früchte des Gesetzes bzw. des Fleisches dominieren in ihrem Leben. Mit solchen Christen „Gemeinschaft“ haben zu wollen, ist einfach nur dumm; diskutieren und argumentieren kannst du aber sehr wohl mit ihnen (nur sei dir klar darüber, dass deine Erkenntnis über das Gesetz nicht dein Werk war). Auch diesen Menschen dienen wir übrigens mit unserer Webseite, indem wir versuchen, ihnen ihre falsche Beurteilung des angeblich wohltätigen Gesetzes aufzuzeigen.

Und zur Ausgangsfrage: unser Leben ist offensichtlich durch Jesus befreit, irgendwas beweisen zu müssen. Auch wenn wir es nicht schaffen sollten, auf dem hier skizzierten Weg etwas voranzukommen, ist dennoch alles in Ordnung. Jesus liebt uns, nimmt uns so an, wie wir gerade sind. Wir müssen nicht „besser“ werden, wir müssen nicht das Optimum rausholen aus dem Teil des ewigen Lebens, den wir hier auf der Erde vor der vollständigen Erlösung verbringen. Die Frage „was tun?“ steht nicht als Zwang über unserem Leben, sondern als ein wirkliches Angebot, dem wir nicht nachgehen müssen – aber können. Aber es ist einfach so, dass die Frage sich uns stellt, sobald unser Wert in Christus einigermaßen klar für uns ist, wenn wir anfangen, auf unsere Bedürfnisse zu hören, kurz und gut: es uns also besser geht und wir mehr und mehr Freiräume und überschüssige Kraft haben. Wohin damit? Diese Frage haben wir versucht zu beantworten. Auf keinen Fall sollten wir unser Neues Leben in den Dienst irgendeines fernen Sinns stellen.

Natürlich haben auch wir die Hoffnung, dass unsere Webseite einen Beitrag dazu leistet,  dass die „Gemeinde“ zu einer Gemeinde ohne Anführungszeichen wird. Aber Motivation ist nicht dieses Fernziel, sondern die Freude über Gottes Erlösung und unser Vergnügen daran, dass mit anderen Menschen zu teilen. Die Zielerreichung wäre ein Abfallprodukt (und vor allem sowieso allein Gottes Werk!).

 

 

Eine Antwort »

  1. Ihr sagt: „Leben und Lebendigkeit ist offensichtlich nichts, was dem Menschen von Natur aus zukommt. Wir sind tote Menschen.“
    Genau! Das wird selten erkannt und noch seltener ausgesprochen!

    Diese kaum zu glaubende Botschaft scheint ein verborgener Grundgedanke des NT. Die Finsternis, in die Jesus kam, ist Grabesfinsternis! Wir Menschen kennen das wahre Leben, das Jesus erfüllte, von Natur gar nicht! Es kam mit Jesus nur kurz vom Himmel zur Erde, z.B. Joh 1: „In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ In unserer gefallenen Welt wird das wahre Leben, die echte Gnade und Lebendigkeit Gottes, ans Kreuz genagelt – diese unglaubliche Botschaft geben eigentlich die Evangelien. In diesem Sinne kann Jesus auch davon sprechen, dass er die „Wahrheit und das Leben“ der Welt ist: Sein Tod am Kreuz vermittelt die Wahrheit, wo wir uns hier befinden – die Wahrheit über unsere Welt – und seine Auferstehung bezeugt, dass er das wahre, höchste Leben in sich trug: das Leben, das selbst unsere gefallene Welt nicht zerstören kann.

    So sagt Jesus z.B. in Joh 14 zu den „lebenden“ Jüngern „:ich lebe und ihr sollt auch leben“, ganz so, als hätten diese niemals wirlich gelebt. Und er nennt diejenigen, die ihn ablehnen „übertünchte Gräber“ (z.B. Mat 23), „Blinde“ für das Licht des Lebens, das aus ihm spricht usw. Demjenigen, der den alten Konventionen, Pflichten, Ehren immer noch Vorrang einräumt, sagt er: „Lass die Toten ihre Toten begraben!“ (irgendwie wie nach „Live and let die!“?!). Und der Vater sieht den verlorenen Sohn, der in einem fremden Land lebt und den Vater und seine Heimat nicht mehr kennt, als „Toten“; er gibt ihm szs. „den Kuss des Lebens“ ( irgendie wie Sade „Kiss of life“ ?!). In diesem Zusammenhang kann Jesus auch Dinge sagen wie: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.“ (Lk 9). Wenn du das vermeintlich wahre Leben nach den irdischen, fleischlichen Gesetzen (Erfolg, Leistung, Hierarchie usw.) gewinnen willst, verlierst du das eigentliche Leben Jesu; aber wenn du dein irdisches Leben (dein Gefangensein im Fleisch) für gering achtest, gewinnst du das wahre aus Gnade. Denn: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert…“ usw.

    Und so kann man wohl sagen:
    Jesus kam nicht um böse Menschen gut zu machen (= die böse Welt grundlegend zu verändern). Die Welt bleibt im Kern so wie sie ist: Kein Mensch, selbst ein Heiliger, kann seine fleischliche böse Natur bezwingen bzw. verleugnen. Sondern er kam, laut eigener Aussage, um Tote lebendig zu machen, um den irdisch Verlorenen das wahre Leben ohne Vorleistung zu schenken.

    • Kleine Ergänzung zur Aussage des NT: Wir sind (spirituell) tote Menschen in der „Finsternis“ und kennen das wahre Leben, den wahren Gott von Natur nicht!

      Dieser Kerngedanke des NT ist auch wichtig für die Frage, ob Jesus überhaupt mit einer Hölle gedroht hat. Denn wörtlich spricht er ja wiederholt davon, dass die, die ihn ablehnen für immer in der „Finsternis“ bleiben werden, in der „Heulen und Zähneklappern“ herrscht. Bzw. dass die, die ihn ablehnen, einem falschen irdischen Gott folgen, der nicht der wahre Gott des Friedens ist, den die Propheten verkündet haben. Ja, dass viele sich sogar bewusst gegen ihn entscheiden: „Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr (…)“ (Joh 3)
      (Man muss ja nicht gleich wie Rapper Kanye West sich in shows (Jesus walks) als lebender Toter präsentieren und die Welt nach Psalm 23 als Hölle/ „Valley of the Shadow of Death” auslegen??!)

  2. Vielen Dank für diesen Beitrag, der wie viele Eurer Statements ermutigend für mich ist.
    Aber eine Sache ist mir schleierhaft:
    Ich stimme zwar in dem Grundgedanken mit Euch überein, dass es nicht unser Ziel sein kann, die Erlösung irgendwie zu verdienen – sie ist uns geschenkt. Aber dass die Bibel nie von einem zu erreichenden Ziel spricht, ist nicht richtig.
    Beispiele im NT: Phl. 3, 14: jage nach dem vorgesteckten Ziel..
    Kol 2, 18 Lasset euch von niemand das Ziel verrücken
    Heb. 2,1 damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben
    Was habt Ihr also gemeint, wenn Ihr schreibt „In der Bibel ist nirgends die Rede davon, dass wir auf ein Ziel hinleben“ ?
    Herzliche Grüße

    • Danke für die Ergänzung und Nachfrage! Wir freuen uns, dass es dich ermutigt.

      Petrus benutzt tatsächlich ein griechisches Wort, das im Deutschen mit „Ziel“ übersetzt wird: 1Petr 1,9 und so erlangt ihr das Ziel eures Glaubens: die Rettung der Seelen. Aber dieses Ziel ist keine Zukunft, auf die wir hinleben (auch nicht in den beiden anderen von dir genannten Bibelstellen) – die „Rettung unserer Seele“ findet jeden Tag, jede Woche statt (nicht im Sinne einer ewigen Errettung natürlich, sondern als täglich neu erlebtes Beschenkt-Werden, Zur-Ruhe-Kommen!) … vielleicht ist es so wie mit dem Ziel, jeden Tag Sport zu machen: das passiert eben jeden Tag … den Weg dahin haben wir im Artikel skizziert, aber notgedrungen nicht bis ins Details beschrieben.

  3. Ihr schreibt im Sinne:
    “Wir „dürfen“ das Leben genießen” u. “damit sie Leben haben und es in Überfluss haben“
    vs das streng traditionell christliche „Kreuzige deinen Egoismus!“

    Dies betrifft m.E. eine der zentralen Merkwürdigkeiten des Christentum, den Gegensatz:

    Verehrung des KREUZES (und Leidens) vs Verehrung der AUFERSTEHUNG (des unzerstörbaren Lebens)?
    (wenn zu weitgehend, löschen!)

    Die Osterbotschaft “Christ ist erstanden”, das leere Grab, sind urspr. der Kern des christl. Glaubens, wie Paulus es z.B. in 1 Kor 15 eindringlich zeigt. Oder Röm 7: Christen gehören dem AUFERSTANDENEN an. Paulus ist ja dem Auferstandenen spirituell begegnet und wurde dadurch gläubig: Er erkannte Jesus als den Erlöser vom Tod und allem Irdischen auf dem Weg nach Damaskus. Genauso wie M. von Magdala Jesus als erste beim leeren Grab im Garten erkannte, als er ihr als neuer Mensch entgegenkam. Diese spirituelle Begegnung mit dem (nackten) Auferstandenen, szs im 2. Garten Eden, ist der Ausgangspunkt des christlichen Glaubens.

    Und genau hier beginnen Merkwürdigkeiten in der Geschichte des Christentums:
    Die Feier der Osterbotschaft tritt immer mehr in den Hintergrund zur Verehrung des Kreuzes – und damit des Leidens Jesu (und Marias). Nach dem Motto: Der ritterliche Christ gedenkt dem Leiden seines Herrn und dessen Mutter und gelobt sich für diese in der Welt asketisch-kämpferisch einzusetzen, um dann im Tod Erlösung zu erlangen. Dabei hat Jesus selbst nie sein Leiden betont, vielmehr sagte er auf dem Weg zum Kreuz noch: “Weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder”. Oder, wenn man genau hinsieht: Jesus gab am Kreuz seinen Geist freiwillig auf, die Mitgekreuzigten litten sogar noch länger, grausamer (Joh 19) usw.

    Damit sei nicht gesagt, dass das Leiden Jesu keine Bedeutung hat, sondern nur: Das Leiden Jesu ist eigentlich im Glauben zweitrangig zur Frohen Botschaft seiner Auferstehung. Dies zeigt auch ein Blick in die Geschichtsbücher: Das Kreuz zählte nicht zu den urspr. Symbolen des Christentums, dann wurde der Gekreuzigte als Triumphator (z.B. neuer Baum des Lebens!) dargestellt, erst ab ca 1200 gibt es das Kruzifix mit dem leidenden Jesus.
    (Ob man so weit gehen muss, wie manche heutige Verschwörungstheoretiker und das Kreuz, als das römische Strafzeichen – crux, cruciare = „quälen“ – abzulehnen und mit dem ägyptischen Ankh-Kreuz, dem Zeichen für die Hoffnung auf ewiges Leben, zu vertauschen, steht auf einem anderen Blatt…)

  4. (Vielleicht für euch interessant, sonst löschen!)

    Ihr zweifelt oben dem Motto „Erlösung durch fromme Ziele und Anstrengung“ und kritisert in einem Leserbrief (hab ich bei euch auf Facebook gelesen) ausdrücklich Goethe: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“.
    Doch nach der Literaturwissenschft war Goethe für konsequenteste Gnade !!, er war szs. Hyper-Hyper-Grace! Er glaubte seit seiner Jugend an die „Allversöhnung der Welt“ durch die unvorstellbare Gnade Gottes (Lehre des Pietismus). Gott gab mit Jesus die Hoffnung an die Auferstehung in die Welt „um durch ihn alles zu versöhnen“ (1 Kol 20): Letzendlich werden alle Menschen (und auch Tiere !) Gott schauen, denn jeder Mensch strebt immer von jedem Augenblick zu Augenblick nach Höherem und damit letztendlich nach Gott.
    So bezeichnet sein Anti-Held Faust sich selbst als ungläubiger Thomas, der nicht richtig an die christliche Botschaft der Auferstehung glauben kann. Er setzt sich keine christlichen Ziele, verstrickt sich in Liebesabenteuer, wird zum Totschläger usw. Am Ende wird er aber ohne weiteres, ohne Strafe und Gericht, in den Himmel aufgenommen. Denn: Der Mensch ist per se ein Wesen – selbst ohne spezielle christliche Ziele – das dem Göttlichen, der Wahrheit – wenn auch oft falsch und verworren – näher kommen will. Denn jeder Mensch sehnt sich nach tieferer Wahrheit und göttlicher „Offenbarung / Die nirgends würdger und schöner brennt / Als in dem Neuen Testament“. Das NT war also für Goethe nur das interessanteste Buch göttlicher Offenbarung. Er ging davon aus, dass auch in den anderen Religionen (Islam, Hinduismus usw.) echte Offenbarung der Gnade Gottes ist und somit alle Völker an der Gnade Gottes teilhaben werden.
    Ziemlich radikal, oder?

    • Vielleicht ist es radikal – aber es ist auch falsch. INHALTLICH und strukturell handelt es sich bei Judentum und Islam um Gesetzes- und Anstrengungsreligionen (und auch die Reinkarnationsreligionen plädieren sehr klar für Anstrengung seitens ihrer Befolger) – und leider sind auch große Teile des Christentums so drauf. Aber nur in Jesus gibt es bedingungslose Annahme HIER und JETZT. Nur in Ihm gibt mit Kreuz und Auferstehung eine GRUNDLAGE für diese bedingungslose Annahme – denn nur dadurch ist der Mensch Gott nicht mehr entfremdet. Und nur dort ist Veränderung unseres Herzens HIER und JETZT ebenfalls ein Geschenk und nicht die Folge diverser Anstrengungen.

      Kurz und gut: wir halten nichts von Allversöhnung ohne die Grundlage von Kreuz UND Auferstehung. Damit plädieren wir noch lange nicht für eine gut gefüllte „Hölle“ (und es liegt auch außerhalb unserer Macht, das zu entscheiden)

      Wer immer strebend sich bemüht, ist übrigens einer, der sich anstrengt, der Wohlverhalten an den Tag legt – und der eben nicht seine Hoffnung und sein Vertrauen ALLEIN auf Gnade, auf das Geschenk Gottes setzt.

      • Wer immer strebend sich bemüht…
        Goethe meinte hiermit, dass jeder Mensch – ganz gleich, welcher Religion – in sich ein ständiges Streben nach Ewigkeit hat und nicht ein Bemühen um Werke und Einhaltung von Gesetzen! Er nennt den Menschen eine „ins ewige strebende Entelechie“, die ein Paradies und Wohlbefinden sucht! Alle hoffen auf ein Leben nach dem Tod! Somit wird Gott durch seine Gnade jeden Menschen, durch einen Prozess der Läuterung in das Paradies führen! Der eine irrt weniger, der andere mehr! Ohne Zweifel sah er im neuen Testament die klarste Verdeutlichung der Gnade Gottes allen Menschen diesen Wunsch – ganz gleich welcher Religion – zu erfüllen. Aber hoffte nicht auch Sokrates auf einen Gott der Gnade und predigte Feindesliebe? Galt nicht der Sänger Orpheus, der durch die Macht der Musik den ewigen Frieden und die Erlösung von dem Tod erhoffte noch in der Frühzeit der Kirche als Bruder Jesu? Spricht nicht die Krishna Bewegung, die Krishna deshalb verehrt, weil er am Totenbett seinem Mörder verzieh, als Jesus von ihrem Bruder? usw. Beim Islam z.B. handelt es sich nur offiziell wie beim Christentum um eine strenge Gesetzesreligion, es gibt auch sehr starke Strömungen, die die Gnade und Liebe Allahs als über alles setzen und im Gesetz nur ein weltliche Regelung sehen (Jede Sure des Koran steht z.B. unter dem Vorbehalt des Allgnädigen Gottes!)

        Kurz gesagt nach Goethe: Jesus und die umfassende Gnade Gottes ist nicht nur im AT präfiguriert, sondern auch in allen anderen Religionen. Vorausgesetzt man sucht sie ?!

        • So kann man es natürlich auch machen: man unterstellt Religionen einfach, was sie ausdrücklich nicht sagen bzw. unterschlägt einfach, dass sie Gegensätzliches sagen zu dem, was man selbst für richtig hält – man kann das aber natürlich auch lassen.

          Dass diverse Religionen sozusagen „Spuren der Gnade“ enthalten, heißt noch lange nicht, dass es sich um Religionen der Gnade handelt. Die Gnade ist TROTZDEM manchmal da – obwohl eigentlich Anstrengung und Gesetz das Prägende und Bestimmende sind

      • Spezielles Missverständnis: Allversöhnung negiert Jesus ! (lesen + löschen!)

        Ihr sagt: „Wir halten nichts von Allversöhnung ohne die Grundlage von Kreuz UND Auferstehung!“

        Wahrscheinlich denkt ihr an Jesu Worte wie: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich…“ usw.
        Diese werden allgemein auf das Irdische bezogen: „Du musst auf Erden – in deinem irdischen Leben – erkennen, dass Jesus die höchste Gnade Gottes (und Gott sein Vater und Maria die „Himmelkönigin“) war, sonst bleibst du verloren!“
        Allversöhner (z.B. Lessing, Goethe) würden entgegnen: Woher weißt du, dass Jesus diese Worte im Sinne einer unbedingten irdischen Annahme Jesu und damit einer irdischen Religion meinte?! Vielleicht hat das Lamm Gottes die Welt am Kreuz von allen Sünden erlöst und mit Gott versöhnt – und zwar unabhängig davon, was ein einzelner unbedeutender Mensch in seiner irdischen Schwachheit tut und zu welcher Glaubenserkenntnis/Religion er fähig ist?! Vielleicht ist das der geistige Kern des Evangeliums, der frohen Botschaft?!
        „Alle Menschen werden Jesus als ihren König, als die höchste Gnade Gottes, den Weg zum Vater, erkennen!“ – dieser Aussage würden auch die Allversöhner zustimmen. Aber dies kann niemals hier auf Erden, in der irdischen Finsternis geschehen! Folglich bezieht nach ihnen Jesus als der Erlöser der Welt diese Worte auf das geistige Reich Gottes: Die ewige menschliche Seele (z.B. auch eine moslemisch-irrende !) wird nach ihrem Tod, wenn sie durch die Gnade des ewig verzeihenden Gottes vom irdisch Bösen, szs. ihren Erdenresten, geläutert wird und in den Himmel, in höhere Sphären, aufsteigt, die Wahrheit erfahren: Jesus war die Verkörperung der höchsten Gnade Gottes, durch ihn erfolgte die Erlösung zu Gott…

        • Welche „irdische Finsternis“? Welche „Erdenreste“? Welche „höheren Sphären“? Das klingt doch sehr danach, als würde man die Materie für die Ursache des Bösen halten – DAGEGEN steht aber die leibliche Auferstehung Jesu und der Auferstehungsleib nicht nur von Jesus, sondern von jedem Gläubigen. Die vermeintlich böse Materie ist dadurch sozusagen geheiligt und freigesprochen – denn wäre SIE schuld am Bösen, könnte sie wohl kaum weiterexistieren.

          Das „irdisch Böse“ ist gar nicht so irdisch – wie bereits der Fall Luzifers zeigt, der auch keine Materie brauchte, um den Drang nach Autonomie in sich zu verspüren.

          Aber vielleicht meinst du das gar nicht so 😉

          … davon abgesehen kann es natürlich gut sein, dass Erlösung und „persönliche Entscheidung“ gar nicht so stark zusammen hängen, wie das gerne in „biblischen“ Kreisen gesehen wird

          • Meine komische Wortwahl:
            „Finsternis“ bezieht sich auf das Johannesevangelium (NT), in dem die Welt als Finsternis und analog die Menschen als zumeist blind für die Wahrheit beschrieben werden. Szs als Blinde, die andere Blinde in die Grube geführt haben und nun alle zusammen wie Schafe von ihrem Hirten aus der Grube gerettet werden müssen. Jesus sagt hier z.B.: „Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“ Wenn er also weg ist, wird es wieder irdisch finster… Darum verspricht er den Jüngern wohl seinen Geist der Gnade/Wahrheit Gottes als Trost, wenn er nicht mehr da ist usw. (Joh 14) Szs den heiligen Geist der Gnade als Hoffnung in unsrer „irdischen Finsternis“ !
            Die andren komischen Begriffe wie „Erdenrest“, „Höhere Sphären“ usw. hab ich mangels eigener Fähigkeiten von Goethe geklaut. Goethe hat wohl als einziger dt. Dichter versucht „Allversöhnung“ sprachlich/dichterisch darzustellen: Der schwere Sünder Faust, obwohl stark an Gott und überhaupt am Christentum zweifelnd, wird nach seinem Tod dennoch von Gott gnädig erlöst und ans Licht geführt: seine ewige Seele wird durch die Gnade Gottes (in „Liebesqualen“) geläutert und sie kann dann durch diese Gnade Engel, Maria als Himmelskönigin und Jesus als Erlöser – als die Symbole höchster göttlicher Gnade – erkennen. Schließlich steigt seine Seele durch diese Verkörperungen höchster Gnade zum ewigen Vater auf. Szs. nach dem Motto: Kein Weg führt zum Vater als durch uns !

    • Es wird nicht recht klar, was Sie sagen wollen … es wirkt ein wenig wie „Jesus für Erleuchtete“, etwa wenn Sie Leiden nur auf falsche Wahrnehmung zurückführen … oder eine gewissen Geringschätzung der Materie rüber kommt (die doch durch die LEIBLICHE Auferstehung von Gott bestätigt wird) … und die bloße „Möglichkeit“ eines persönlichen Gottes sprengt dann endgültig den biblischen Rahmen

      • Ich dachte, dass der Sinn des Lebens – die Überwindung des Leides – durch meinen Artikel klar wird. Ich führe Leiden nicht auf eine falsche Wahrnehmung zurück, sondern auf ein falsches Verhalten („Sünde) das auf einer grundlegenden Unwissenheit (=“Finsternis“) über unsere wahre Natur beruht. Die Materie müssen wir nun wirklich nicht hochschätzen. Wir überschätzen sie bereits durch unsere Identifikation mit dem Körper. Natürlich leugnet niemand die Materie. Sie braucht also nicht „bestätigt“ zu werden.
        Da der Mensch nun einen physischen Körper hat und dadurch auch physischen Einflüssen unterworfen ist, kann Erlösung vollständige Erlösung nur bedeuten, dass der Mensch von Innen heraus vollkommene Herrschaft über seinen materiellen Leib erlangt und er so in eine neue Leiblichkeit transformiert wird. Das ist die Auferstehung.

  5. In der Bibel ist nirgends die Rede davon, dass wir auf ein Ziel hinleben (sondern ein Ziel haben, das täglich gilt – siehe die Kommentare unten).

    Das sehe ich nicht so:
    Wir können sogar am Ziel vorbei treiben
    Das Ziel ist die Seeligkeit der Seelen

    Beides kann nur am Ende, am finalen Ziel sein, nicht im täglichen Kampf.
    Bestimmt gibt es noch mehr Stellen, die ein finales Ziel nennen.

    Und überhaupt sollten wir Sinn und Ziel unterscheiden.

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