Wir haben oft einen völlig falschen Eindruck von unserem Mensch-Sein – jedenfalls dann, wenn wir Jesus kennen und seine Erlösung erfahren wollten.

Man vermittelt uns oft den Eindruck, da gäbe es etwas Schreckliches in uns, einen Zombie – der jedesmal quicklebendig wird, wenn wir sündigen (oder was wir dafür halten): den alten Menschen! Im Rahmen dieser Schauergeschichten werden auch noch alter Mensch und unser Fleisch munter in einen Topf geworfen.

Die gute Nachricht ist aber: unser alter Mensch ist tot – und er ist nicht mehr in uns, nicht als Toter und schon gar nicht als Schein-Toter. Was aber immer noch da ist, ist unser Fleisch. Es ist einfach unser natürlicher Anteil. Es ist nicht böse, aber es ist schwach (Matthäus 26,41). Und es hat zwei Eigenschaften, die eng zusammengehören:

  • es ist religiös und moralisch und möchte das Gesetz halten (das mosaische, das kirchliche, das von Buddha oder Kant oder von sonstwem)
  • es ist daran gewöhnt, die Dinge auf seine Weise zu tun – als ob es Gott und das, was er uns schenken will, nicht gäbe

Beide Eigenschaften spielen sich übrigens gegenseitig die Bälle zu.

Unser (religiöses) Fleisch bzw. der religiöse Teil unserer Natürlichkeit ist das einzige in / an unserem Neuen Menschen, das sich am Gesetz Gottes probieren will. Es will selbst machen und sich die Dinge verdienen, die Gott uns umsonst schenken will. DAS ist Teil der „fleischlichen Gesinnung“, eines natürlichen Denkens, das nicht mit den neuen Möglichkeiten rechnet, die uns durch Gott gegeben werden. Fleischliche Gesinnung ist also nicht nur die Denke „wie kann ich mir mit den Sünden, die ich so kenne, selbst helfen? Oder gibt es neue, die mir vielleicht mehr helfen?“

Röm 8,7 weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie kann das auch nicht [was nicht heißt, daß sie es nicht probiert].

Aber Gott sei Dank sind wir „nicht im Fleisch“, bloß weil wir uns am Gesetz probieren und damit „fleischliche Gesinnung“ an den Tag leben; sondern weil wir Jesus kennen, sind wir „im Geist“. Trotzdem haben wir natürlich viel „fleischliche Gesinnung“ in uns, wenn wir neu im Glauben sind – und wenn wir zehn oder zwanzig Jahre Gesetzespredigt hinter uns haben, hat sich daran leider nichts geändert. Manchmal ist es sogar noch schlimmer geworden.

Röm 7,5a Denn als wir im Fleisch waren
Röm 8,9 Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.

Das ist nicht nur unsere Position, sondern eine reale Tatsache – aber eine, die man nicht sehen kann. Aber deswegen heißt es ja auch „im Glauben leben“ und nicht „im Schauen leben“.

Dadurch, daß wir den Geist haben, sind wir auch im Geist. Das ist nichts, was ständig wechselt – je nachdem, was wir gerade tun oder nicht tun.

Unser Fleisch kann von seinen Fähigkeiten her gar nicht dem Gesetz so gehorchen, wie das Gesetz es fordert: nämlich perfekt, also in allem. Unser Neues Herz (das wir haben, weil wir geistlich neu geboren wurden)  hat aber kein Interesse daran, daß Gesetz zu erfüllen (sonst würden wir z.B. alle den Sabbat halten).

Röm 8,3a Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war

Gesetzeserfüllung ist nicht mehr unsere Aufgabe – aber es kann ein unabsichtliches Nebenprodukt sein, wenn wir im „Geist wandeln“. Wenn es Absicht war – dann haben wir ein Problem. Jedes Flirten mit dem Gesetz ist zu viel.

Wann immer wir uns am Gesetz probieren, werden wir ein klares Resultat bekommen.

Joh 3,6a Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch …

Natürliches bringt Natürliches hervor – mehr passiert da nicht. Es kann noch so gut aussehen. Und das ist noch nicht mal ständig was Schlechtes. Aber es genügt eben häufig nicht, um unsere Bedürfnisse wirklich zu stillen oder zu erfüllen.

Joh 6,63a Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts …

Das Natürliche nützt nichts, wenn es darum geht, lebendig zu sein – auch wenn es natürlich der Bereich ist, in dem wir die Auswirkungen davon spüren, unsere Lebendigkeit zumindest da und dort auch erfahren.

Wenn Paulus seinen Zuhörern also an diversen Stellen schreibt, sie seien fleischlich, dann meint er damit konkrete Dinge:

  • sie wollen das Gesetz erfüllen
  • sie rechnen nicht mit den übernatürlichen Möglichkeiten Gottes
  • sie beziehen ihren Wert aus dem, was sie sehen, fühlen, anfassen etc. können
  • sie suchen Leben in diesen Dingen

Was er damit nicht sagt, daß sie „im Fleisch“ seien. Denn dann wären sie keine Christen und nicht neugeboren! Es geht um Teile ihrer Haltung und ihres Denkens.

Röm 7,18a Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt

Diese Aussage wird oft so verstanden, als wohne unaussprechlich Böses in unserem Fleisch. Aber es genügt, daß es schwach ist und dass in ihm die Sünde wohnt (das Fleisch ist quasi ihr letzter Rückzugsort in unserer Person, nachdem wir nun keine Sünder mehr sind, Röm 7,25 ). Und daß es sich am Gesetz ausprobieren möchte. Und ans Sündigen gewöhnt ist.

Röm 8,4 damit die Rechtsforderung des Gesetzes erfüllt wird in uns, die wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln.

Die Forderung des Gesetzes ist immer noch Perfektion! Unser Wandel im Geist erfüllt diese Forderung nach Perfektion nicht durch die Frucht, die dieser Wandel hervorbringt – sondern dadurch, daß uns die perfekte Gesetzeserfüllung von Jesus angerechnet wird. Damit sind wir frei – so zu handeln, wie wir es eben tun.

Aus all dem folgt, daß wir keine feindselige Haltung gegenüber unserem Fleisch bzw. unserer Natürlichkeit einnehmen müssen: wir müssen es nicht kreuzigen, nicht mit Askese und Verzicht aushungern, es nicht auf diese oder jene Weise bekämpfen. All dies hieße, es wichtiger zu nehmen als es ist. Seine Position innerhalb unserer Neuen Natur ist eher eine empfangende: es wird dann Ruhe geben, wenn es erlebt, daß wir „durch den Geist“ auf ganz andere Art und Weise für unsere Bedürfnisse sorgen können.

Denn wir kennen ja schon unser Motiv für das Sündigen: wir wollen uns damit selbst helfen.

Das Thema „Fleisch“ ist natürlich umfangreicher als das hier Gesagte.

Eine Antwort »

  1. Super, super, super!! Das ist ein wirklich hilfreicher Artikel. Dass wir so handeln, wie wir es eben tun.. das trifft den Punkt. Allerdings sollte man eines dazu sagen: diese Darstellung ist eine große Hilfe für alle Christen, die sich mit tausend Kleinigkeiten herumschlagen, die alle mit Sünde verbunden sind und wo sie merken: ich mit meilenweit entfernt vom Anspruch des Gesetzes.

    Wenn ein Mensch aber Verhalten an sich hat, das andere oder ihn selbst massiv schädigt (Alkohol- und Drogensucht, massive Herrschsucht, seelischer und körperlicher Missbrauch von anderen usw.) dann kann man ihm nicht raten, weiterhin so zu handeln wie er es eben tut!!! Ich weiß, dass Ihr das auch nicht so meint, weil Ihr das an anderer Stelle schon thematisiert habt. Nur sollte man es jedes Mal dazu schreiben, damit sich niemand ermutigt fühlt, gefährliches Fehlverhalten weiter zu praktizieren statt sich seelsorgerliche oder therapeutische Hilfe zu suchen.

  2. Noch ne Frage: Was meint Paulus, wenn Er sagt: Ich kreuzige mein Fleisch täglich? Das sollen wir ja wohl alle tun. Manche sagen: es heißt, wir sollen uns ständig vor Augen führen, dass wir mit Christus gekreuzigt sind, dann brauchen wir nicht zu tun, was das Fleisch möchte. Das kann ganz schön ausarten, etwa so: Ich würde gerne einen Spielfilm gucken, in dem auch sündige Sachen vorkommen (logischerweise, die kommen in jedem Film vor, der von Menschen handelt….) Wäre ich vollkommen, würde ich die Zeit sinnvoller nutzen. Bin aber nicht vollkommen. Jetzt also vor Augen führen, dass dieser Wunsch mit Christus gestorben ist….und so weiter, den ganzen Tag lang, mit allen möglichen Sachen. Da ist man doch gleich wieder im Gesetz !!
    Da es aber so in der Schrift steht, kann ich den Satz ja nicht einfach ignorieren. Was also tun ???

    • Wo steht denn dieser Vers? Und wie lautet er genau? Und wie klingt er in den verschiedenen Übersetzungen?

      [Hintergrund der Frage: es gibt Bibelverse, die anders lauten als die Deutung dazu – und mit der (falschen) Deutung speichern wir sie ab]

      • Danke für die Nachfrage. Ich habe aber inzwischen den Eindruck gewonnen, dass ich dieser Frage nicht länger nachgehen soll, weil dieses ständige Nachdenken darüber gar nicht gut für mich ist. Ich will lieber Eurer Ermutigung folgen, einfach im Vertrauen auf die Gnade zu leben und mich auf dieses Geschenk zu konzentrieren.
        Da es aber kaum möglich ist, nach so vielen Jahren gesetzlicher Prägung plötzlich gar nicht mehr gesetzlich zu denken, sorge ich mich darum, ob ich aus der Gnade fallen könnte bzw. gefallen bin. Was heißt denn: Aus der Gnade fallen? Heißt das, die Errettung verlieren oder heißt es, gerettet zu bleiben, aber keine Vergebung mehr zu erhalten? Was ist mit den Tausenden, die zum Glauben an Christus gekommen sind unter einer Verkündigung, die eine Gnade-Gesetz-Mischung ist? Selbst ihre Hinwendung zu Christus geschah ja nicht frei von gesetzlichen Anteilen. Da es kaum Gemeinden gibt, die völlig frei von Gesetzlichkeit sind, wären ja dann die meisten Christen aus der Gnade gefallen. Die Radikalität des Galaterbriefes erfreut mich auf der einen Seite sehr, aber auf der anderen Seite macht sie mir auch Angst.

        • Ja, das stimmt leider: viel zu viele Christen sind für das Leben hier und jetzt „aus der Gnade gefallen“ … aber das ist ein anstrengendes Leben – und je erschöpfter sie sind, desto offener werden sie meist für die große Alternative

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