Alle Jahre wieder treten Gruppen von selbsternannten Propheten und Lehrern auf, die das Ende der Welt voraussagen und der Meinung sind, dass der nächste amerikanische, russische, türkische oder sonstige Präsident DER Antichrist sei. Daraufhin verfallen viele Christen in Panik, sehen sich und ihre Familie der Verfolgung ausgesetzt und haben Angst, verbrannt, gevierteilt oder um Jesu Willen gekreuzigt zu werden. Nachdem sie sich bei diversen Discountern dann Vorräte für die große Trübsal angelegt haben, fragen sie sich bei allem Überfluss, ob sie bei der Entrückung dabei sein werden und stellen ihr Heil in Frage. Meist werden diese zweifelhaften Vorhersagen noch durch „mathematische“ Kunstgriffe belegt, bei denen z.B. der Name „Donald Trump“ ins hebräische übersetzt wird, dann diverse Zahlencodes angewandt und am Ende hieb und stichfest die Zahl 666 errechnet wird. Und damit ist die Sache klar: Dieser neue Führer ist DER Antichrist!

 

Dabei sagt die Bibel sehr klar, dass z.B. der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht (vgl. Matthäus 24) und eben nicht vorhergesagt oder berechnet werden kann. Jesus sagt sogar, dass er selbst den Tag nicht kennt, sondern nur der Vater (vgl. Markus 13). Und wir werden schon im Alten Testament aufgefordert, nicht alles Verschwörung zu nennen, was irgendwer erzählt (Jesaja 8,12).

Besonders irreführend ist allerdings der Begriff des Antichristen, da man ihn meist mit irgendeinem politischen oder/und religiösen Führer gleichsetzt. Dabei wird ein meines Erachtens sehr wichtiger Aspekt des Begriffes übersehen – und zwar seine eigentliche Bedeutung.

 

Für gewöhnlich wird „Antichrist“ als „Gegen Christus“ verstanden und damit einhergehend sieht man hinter jeder Person, die etwas gegen die Bibel, das Christentum oder Jesus sagt den potenzieller Antichrist. Allerdings kann der Begriff genauso als „anstatt von Christus“ verstanden werden und in diesem Zusammenhang erhält er eine deutlich subtilere und auch vielschichtigere Bedeutung. Nach diesem Verständnis ist nämlich alles, was Christus aus dem Zentrum hebt und irgendetwas anderes in den Mittelpunkt stellt (eine Vision, einen Prediger, diverse geistliche Übungen, eine Gemeindeprogramm, … die Liste lässt sich beliebig weiterführen) ein Antichrist bzw. hat das Potential ein Antichrist – also ein Christus-Ersatz zu werden.

 

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass hierin eine der Hauptherausforderungen im Leben als Christ steckt – nämlich in Problemen, bei Herausforderungen und Stress meine Hilfe NUR von Jesus zu erwarten und von niemandem sonst. Wir haben als natürliche Menschen gelernt unser Vertrauen auf andere, sichtbare oder mit den Sinnen wahrnehmbare Dinge zu stützen und deswegen ist unsere natürliche Reaktion besonders in Krisenzeiten Zuflucht in diesen Dingen zu suchen (wofür uns Gott übrigens nicht verdammt, sondern uns immer wieder in seiner Liebe zu sich zurückzieht) und wir dürfen lernen bei ihm allein Rettung zu erwarten und auch zu finden.

 

Abschließend: Es ist eindeutig, dass Dinge wie Alkohol oder Drogen nicht die Lösung für unsere Probleme sind und sein können. Leider vergessen viele Christen allerdings, dass alles, was Jesus und sein Erlösungswerk als den einzigen Lösungsweg ersetzt (also zu einem Christusersatz – einem „Antichristen“ wird) genauso kontraproduktiv ist. So denken manche: Mir geht es schlecht. Ich muss mehr beten, Bibel lesen, etc. Das subtile daran ist nun, dass Gebet und Bibel lesen an sich keine schlechten Dinge sind bzw. in richtig verstandener Weise sogar als wichtige Bestandteile zum christlichen Leben dazugehören. Allerdings: Versteht man diese Dinge programmatisch oder methodisch, ersetzt man die Beziehung zu Jesus und damit ihn selbst. Am Ende fragt man sich vielleicht, warum man die Bibel liest und nichts versteht, man kommt auf fadenscheinige „Offenbarungen“ oder hat das Gefühl im Gebet gegen eine Wand zu sprechen. Vielleicht könnten dies  liebevolle Hinweise des Vaters sein, Jesus wieder in den Blick zu nehmen und jeden „Antichristen“ aufzugeben.