Alle paar Monate ist es das gleiche Spiel: irgendwo in den säkularen Medien gibt es einen kritischen Artikel über eine Gemeinde oder gar eine Dokumentation im Fernsehen, in der so einiges an unserer Glaubenspraxis kritisch hinterfragt wird – und auch seltsame Theologien, die einzelne oder ganze Gruppen vertreten. In der Regel stochern die Macher solcher Artikel und Dokus im Nebel, weil sie keine Ahnung haben, wie schlimm es wirklich ist. Aber beim Stochern im Nebel landen sie eine paar Treffer – und die christlich-offiziellen Amtsträger sagen natürlich nicht „Danke für den Hinweis – wir werden diese Mißstände abstellen“. Nein, sie sind „empört“, dass ihre Gemeinde(bewegung) angeblich so überaus verfälscht dargestellt werden. Nichts davon stimme, wenn es um ihre jeweils eigene Gemeinde geht. Manche sprechen sogar von Verfolgung – in jedem Falle sei es aber unfair. Und natürlich lamentieren sie über die bösen Medien.

Aber stellen wir doch mal ein paar Dinge klar:

  • die Journalisten haben meist nur eine ungefähre Ahnung, was wirklich abgeht in christlichen Gemeinden und Gruppen und Werken; und selbst wenn sie von einzelnen Mißständen wissen, so ist es schwer für sie, Menschen zu finden, die das auch bezeugen wollen (obwohl sie es tatsächlich erlebt haben)
  • fänden sie für das, was sie wissen (und was sie bisher noch nicht wissen), auch aussagewillige Zeugen, so würde die Berichterstattung noch viel vernichtender ausfallen
  • die, die in die Schußlinie geraten, sind meist die, die schon öfter von sich reden gemacht haben; und überprüft man ihre Lehren und Theologien, so sieht man auch, dass in ihren Theorien ihre manchmal schlechte Praxis längst vorgezeichnet war
  • meist geht es gar nicht um irgendeine Kritik an Jesus, sondern an der Art und Weise, wie er von „uns“ präsentiert wird
  • und um Kritik an Lehren und Praktiken, die aus unserer Sicht überhaupt nichts mit Jesus zu tun haben
  • speziell eine Gemeinde nehmen wir natürlich von der Kritik aus – denn da sind lauter Unschuldslämmchen, die keiner Fliege was zu leide tun könnten 😉
  • außerdem stößt man sich in der Berichterstattung an bestimmten moralischen Positionen – die offensichtlich überdecken, worum es wirklich geht: dass Jesus unser Erlöser ist – und nicht ein Morallehrer. Und es ist nun mal fatal, wenn unsere Moral deutlich stärker wahrgenommen wird als unsere Botschaft „Jesus ist der Erlöser“ – dann haben wir was falsch gemacht
  • weit weniger geraten die Gemeinden in die Schußlinie, die wenig oder gar nichts nach außen verlautbaren lassen; keine Videos oder Predigten oder Dokumente ins Internet stellen – und sie tun manchmal gut daran, würde man doch sehr schnell merken, dass auch hier das eine oder andere so gar nicht „korrekt“ ist … insofern verteilt sich die Kritik sehr unfair 😉
  • in unseren „Gemeinden“ gibt es immer ein paar gute Sachen – und mit denen will auch niemand aufräumen: es geht um die Sachen, die echt mies laufen
  • andere Christen haben meist instinktiv das Gefühl, sich schützend vor ihre Glaubensgeschwister stellen zu müssen, obwohl sie den einen oder anderen Unsinn, Machtmißbrauch oder was auch immer selbst nie praktizieren würden – anstatt einfach zu sagen: „Das finden wir auch nicht gut“ (Eph 5,11) …sie machen also aus guten Motiven heraus eine schlechte Sache
  • wäre es nicht schön, wenn manche von unseren „Leitern“ sagen könnten: „ich habe Bruder XY auch schon darauf hingewiesen – bisher hat er aber nicht auf mich gehört“?
  • die benannten Gruppen und Gemeinden reagieren meist immer gleich: „stimmt gar nicht“ – „alles ganz anders“ – „wir sind total lieb und werden völlig verzerrt dargestellt“ … und daneben bringen sie natürlich auch das eine oder andere gute Argument. Aber die Hauptrichtung ist Abwehr, Leugnen, Gegenangriff. Man kann also sicher sein: auch nächstes Jahr findet sich wieder genug Material, um erneut eine Reportage zu machen
  • diese Artikel und Reportagen leisten das, was wir eigentlich innerkirchlich selbst leisten müssten: konkrete Kritik und die Chance zum Abstellen von Mißständen
  • statt einzelne fragwürdige Leiterschaftstheologien und -praktiken ausdauernd aufzudecken und immer wieder anzusprechen (auch mit den Mitteln unserer christlichen Medienlandschaft), wird innerkirchlich falsche Rücksicht genommen
  • und oftmals wird Rücksicht genommen, weil man selbst ja lieber auch nicht hören will, was in der eigenen Gemeinde(bewegung) alles so schief läuft und fragwürdig ist
  • die, die sich „Leiter“ nennen, tun also ihre Arbeit nicht – beschweren sich dann aber lauthals, wenn diese Arbeit von anderen getan wird (die nicht zu „uns“ gehören); vielleicht versucht Gott aber nur, sich endlich Gehör zu verschaffen?
  • als einfache Christen können wir selten verhindern, dass (frei)kirchliche Amtsträger immer wieder gleich auf solche Berichte in säkularen Medien reagieren – aber wir können aufhören, ihre Stellungnahmen nachzuplappern und rumzuposten

Wenn also die nächste Aufgeregtheit und fromme Empörung durchs Land geht – halte erst mal inne. Wird da wirklich Jesus diffamiert? Oder doch nur seltsame Praktiken seines Bodenpersonals? Gilt die Kritik einer ganzen christlichen Richtung? Oder doch nur einzelnen darin? Musst du dich wirklich in „uneingeschränkter Solidarität“ hinter die attackierten Leiter, Gemeinden und Werke stellen?

 

Ergänzungen und Verbesserungen willkommen – aber bitte nicht im Sinne von „Übel, wie ihr hier Glaubensgeschwister attackiert“.

 

P.S. Wir glauben natürlich nicht, dass solche Berichterstattung jemals aufhören wird – aber wir könnten es den Journalisten deutlich schwerer machen; nicht, indem wir unsere Mißstände noch besser verstecken – sondern indem wir sie beseitigen

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